Der Mansfeld kommt

Erinnerungen an Krieg und Frieden

Autor: Helmut Bollmann

 

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Der Seefahrer

   Nach seinem ersten Urlaub im alten Seeräubernest Vela Luka auf der Adria-Insel Korcula sagte sich Bolle angesichts der sonnigen, doch fast durchweg steinigen Küste Jugoslawiens : Da fährst du wieder hin, aber auf keinen Fall mehr ohne Boot. Wie sich später herausstellte, hatte dieser  Entschluss ungeahnten Folgen für den Geldbeutel und die künftige Freizeitgestaltung. 

   Die Sache fing 1964 ganz bescheiden an. Er kaufte beim Familienbetrieb „Bootsbau Speck“ im nahegelegenen Schwanheim am Main ein kleines Kunststoff-Ruderboot, einen Fünf-PS-Aussenbordmotor und einen Dachträger für seinen Opel „Olympia“.

Alles nicht der Rede wert.

   Reiseziel war diesmal die Insel Murter, die durch eine Brücke mit dem Festland verbunden ist und mit der Bucht von Slanica sogar über einen kleinen Sandstrand verfügt. Um dorthin zu gelangen schipperte Bolle täglich um die halbe Insel - ungefähr zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück  - was sich bald als recht langweilig erwies. Schneller aber ging es nicht – wenn er den Gashahn weiter aufdrehte, bäumte sich der Kahn auf, wie ein scheuendes Pferd und drohte zu kentern.

Das Ruderboot war wohl doch keine so gute Idee.

   Ein grösseres Boot musste her, das lag auf der Hand. Und wenn schon, dann sollte es auch eine Schlafkajüte haben, das sparte Hotelkosten. Und natürlich eine Kombüse mit Flaschengasherd, Plastikgeschirr und so weiter, man musste ja schliesslich hin und wieder etwas essen. Dazu kamen Selbstverständlichkeiten wie Anker, Rettungswesten, Fender und Taue  – na ja, es läpperte sich. Und – beinahe hätte ich es vergessen – auf einen Dachträger konnte man ein sechs Meter langes Boot schlecht hieven. Dazu war ein nicht gerade billiger Spezialanhänger nötig, und um den zu ziehen schaffte Bolle notgedrungen einen starken Opel „Kapitän“ an, immerhin einen gebrauchten.

Die Firma Speck tat ihr Bestes, und bald schwamm ein flotter Kahn auf dem Main, den der Eigner voller Stolz mit Schaumwein und allem drum und dran nostalgisch „Mansfeld“ taufte.

   Diesmal gab es kein lächerliches Reiseziel, sondern einen generalstabsmässig ausgearbeiteten Seeweg. Geplant war, in Koper auf der Halbinsel Istrien in See zu stechen, die Halbinsel zu umrunden und dann über Rijeka die ganzen dalmatinischen Inseln entlang bis nach Dubrovnik und wieder zurück zu schippern.

Um es kurz zu machen: es war tatsächlich eine Traumreise mit viel Wein, Langusten und netten, manchmal recht durstigen Hafenkapitänen  Nur der Zeitplan liess sich nicht einhalten. Es gab zu viele unplanmässige Aufenthalte angenehmster Art.  Um die Rückreise zeitlich abzukürzen, musste sich Bolle in Split in den Zug setzen und den Wagen von Koper nach Süden holen, - der schnellere Landweg war erforderlich, der Urlaub neigte sich seinem Ende zu.

 Weil es so schön war, ging es in den nächsten Jahren immer wieder in die Adria und an den Wochenenden auf Rhein und Main, bis sich Bolle schweren Herzens von seiner „Mansfeld“ trennte, weil ihm zu einem sehr günstigen Preis ein noch bequemeres Schiff angeboten wurde -  ein acht Meter  langes und drei Meter  breites norwegisches Rauhwasserboot mit 80 Zentimeter Tiefgang, das wegen seiner Grösse allerdings mit einem Hänger auf dem Landweg nicht mehr zu transportieren war. Dazu hätte es schon eines Tiefladers bedurft. Dafür bot es mit seiner heizbaren Vorder- und Achterkabine reichlich Platz und war ein äusserst sicheres Schiff, das auch eine Sturmfahrt im tückischen Isselmeer gelassen absolvierte. Ausserdem war es ein wasserskitauglicher Halbgleiter, mit dem Bolle rheinabwärts Friesland mit seinen wundervollen Wasserstrassen und Binnenseen im Urlaub locker in zwei Tagen erreichte. Sonstige Ausflugszielen waren die geruhsame Lahn, die  Mosel, der Main sowie der schleusenfreie Rhein aufwärts etwa bis nach Strassburg. Eine geplante Sommerreise über den Rhein-Rhone-Kanal ins Mittelmeer scheiterte indes an seiner Faulheit – 110 Schleusen, das wollte er sich denn doch nicht antun.

   

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