Der Mansfeld kommtErinnerungen an Krieg und FriedenAutor: Helmut Bollmann
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Der SchwitzkastenNew Orleans - das war im Juli ein Schwitzkasten pur. Nach dem üblichen Platzregen in der Mittagsstunde standen die Pfützen am Abend noch immer in den Straßen, obwohl die Sonne den ganzen Nachmittag über vom Himmel geglüht hatte. Bei praktisch 100prozentiger Luftfeuchtigkeit konnte hier nichts mehr verdunsten. Hotels mit Klimaanlagen waren sehr teuer. In der Halle von Bolles Mittelklassehotel brummte Tag und Nacht ein riesiger Ventilator, der doch nur heiße Luft durch die Fliegengitter in den Fenstern und Türen der Zimmer zog. Ein Bad in der Wanne brachte keineswegs die erhoffte Erfrischung, das Wasser lief lauwarm aus der Leitung. Die Anschaffung eines kleinen Schwenkventilators für den Nachttisch brachte außer einer mordsmäßigen Erkältung nicht das Geringste. Wenn er nach dem Besuch eines klimatisierten Restaurants glaubte, endlich wieder an die frische Luft zu kommen, traf ihn der unerwartete schwüle Schwall vor er Tür wie ein Tritt in den Magen. Rätselhaft blieb, wie diese jungen Amerikanerinnen mit dem Dschungelklima fertig wurden; sie kamen daher wie aus dem Ei gepellt, ohne einen Schweißtropfen auf der Stirn. In New Orleans wurde Bolle zum ersten Mal von einem Redakteur der Nachrichtenagentur AP betreut. Der schlug der brütenden Hitze im Auto trickreich mit vier Stangen Trockeneis unter den Vordersitzen ein Schnippchen. Dieses Eis machte die Temperatur im Wagen erträglich und verdunstete, ohne Spuren zu hinterlassen. So gekühlt, überquerten sie den Salzsee Pontchartrain auf der mit 38 Kilometern längsten Brücke der Welt. Hauptattraktion war natürlich das Französische Viertel. Auf dem einzigartigen French Market wurden so exotische Waren wie Zuckerrohr und zuckersüße Zwergbananen gehandelt. Auf dem Jackson Square, dem Zentrum des ursprünglichen New Orleans, verscherbelten die Franzosen im Jahre 1803 im sogenannten "Louisiana Purchase" das Land zwischen Mississippi und Rocky Mountains für ganze 15 Millionen Dollar an die Amerikaner. Napoleon brauchte Geld für seine Kriege in Europa - das Territorium der USA war auf einen Schlag doppelt so groß. Zentrum des Nachtlebens war die Bourbon Street mit ihren lautstarken Jazzlokalen, schummrigen Bars und funkelnden Nobelrestaurants. Bei "Diamont Jim" stocherte Bolle vergeblich auf seinem Teller herum. Den Diamanten, den der Wirt allabendlich in einem der Gerichte zu verstecken pflegte, fand ein anderer. Immerhin schlang niemand sein Essen achtlos herunter. Wie es sich gehört, ließen sich die Gäste die köstlichen Speisen auf der Zunge zergehen und kauten - wenn es denn unbedingt sein musste - mit äußerster Vorsicht. Beim Abflug gab es eine Meuterei an Bord. Die Maschine stand mit laufenden Motoren in der prallen Sonne am Start, Schläuche wurden abgekoppelt, der Kühlwagen verschwand. Der Pilot wartete auf die Starterlaubnis, Minute um Minute verstrich, die Temperatur in der praktisch luftdichten Kabine erreichte unerträgliche 50 Grad. Ein Aufschrei, "You are killing people in here", löste damit ein allgemeines Tohuwabohu aus. Einige der halb erstickten Fluggäste stürmten die Kanzel und zerrten den Flugkapitän aus dem Cockpit, andere drängten die Stewardessen von den Türen und stießen sie auf. Der Kühlwagen wurde herbeigerufen und koppelte schleunigst wieder an. Er pumpte zwar frische Atemluft in die Kabine, schaffte es aber nicht, die Temperatur in dem aufgeheizten Blechkasten nennenswert zu senken. Als die Maschine endlich startete, hatte Bolle keinen trockenen Faden mehr am Leib. Alle drehten die Luftdüsen voll auf, der Fahrtwind pfiff herein und er, in seinem klitschnassen Zeug, begann fürchterlich zu frieren. Die Fliegerei hatte so ihre Tücken. Während des Heimfluges fing einer der beiden linken Motoren mitten über dem Atlantik an zu brennen. Das Feuer wurde zwar schnell gelöscht, ein längerer Werkstattaufenthalt in Shannon war jedoch unumgänglich. Als die Maschine in London aufsetzte, war der Anschlussflieger nach Frankfurt längst auf dem Rhein-Main-Flughafen gelandet. Von der TWA wurde er in einem viktorianischen Hotel in der City untergebracht. Zum scheußlichen Essen spielten eine Pianistin, ein Cellist und ein Geiger. In Eschwege kam Bolle mit einem Tag Verspätung an, nicht nur an Erfahrung reicher: außer den Mitbringseln hatte er noch 260 Dollar im Gepäck, das waren umgerechnet 1.040 Mark. Da durfte man wieder umrechnen, da machte das Umrechnen Freude. |
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