Der Mansfeld kommt

Erinnerungen an Krieg und Frieden

Autor: Helmut Bollmann

 

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Die Ferntrauung 

   "Ich hab's doch geahnt", seufzte der Kommandeur bei der Schilderung des Unfalls, dann kam er zur Sache: Bolle wollte heiraten. In der ganzen Division herrschte Urlaubssperre.

"Du könntest eine achttägige Dienstreise machen."

Für eine Dienstreise, beispielsweise zur Stammkompanie nach Stendal, gab es stets einen Grund, eine Fahrtunterbrechung in der Heimatstadt war immer drin. "Ich habe bei der Division vorgefühlt, wenn Du eine Ferntrauung machst, kriegst du vom General hinterher  richtigen Urlaub, sogar 14 Tage."

Zu einer Ferntrauung an der Invasionsfront kam mit Sicherheit die Wochenschau, und die Frau General würde den Herrn General im Kino sehen.

Aber was soll's - 14 Tage sind 14 Tage und nicht nur eine Woche.

"Gut, ich mach's." -

   Es wurde ein tolles Fest. Die Teile der Kompanie, die direkt in der HKL lagen, wurden vorübergehend herausgelöst, damit der ganze Haufen an der Fete teilnehmen konnte. Der General kam mit großem Gefolge, alle Offiziere der Abteilung waren zugegen, die Nachbardivisionen von Heer und Waffen-SS hatten Abordnungen entsandt. Ochsen brutzelten am Spieß; Bier, Wein, Schnaps und Champagner flossen in Strömen.

   Die Wochenschau war selbstverständlich zur Stelle, begnügte sich aber mit Aufnahmen von der Trauungszeremonie,  - das große Besäufnis kam nicht ins Bild. Der Riesentrubel fiel schließlich sogar der feindlichen Artillerie auf. Ihre Salutschüsse vergraulten den General, ansonsten ließ sich keiner stören. Alle prosteten Bolle zu, jeder wollte mit ihm trinken. -

   Als er zwei Tage später wieder zu sich kam, befand er sich beim Tross der Abteilung - auf dem Tisch lag sein Urlaubsschein.

   "Ich soll Sie zum Abteilungsgefechtsstand holen, Herr Leutnant", sagte der Krad-Melder, der im gleichen Ort  wie Bolle geboren war. -

   "Du bist verrückt, ich habe die Schnauze voll von der Sauferei." -

"Nein, nein, vorne ist der Teufel los." -

"Sag, du hast mich nicht mehr angetroffen." -

"Das geht nicht, ich habe doch den Urlaubsschein eben erst mitgebracht."

Bolle verstand die Welt nicht mehr.

   "Der Feind ist da oben durchgebrochen", eröffnete ihm der Abteilungsführer und zeigte den neuen Frontverlauf auf der Karte. "Deine Kompanie muss hier vor St. Lo die Straße in Richtung Berigny sperren. Bring sie in Stellung, deinem Vertreter traue ich das noch nicht zu." Bolles Vertreter war ein Oberleutnant. Er war erst kürzlich von der Flak gekommen und mit der Panzerjägerei noch nicht 100prozentig vertraut.

"Du kannst anschließend sofort nach Rennes fahren, vielleicht erwischt du den Nachtzug noch. Deinen Urlaubsschein hast du ja. Nimm meinen Geländewagen, der Fahrer bringt dich dann auch zum Bahnhof."

   Die Kompanie wurde in Richtung St. Lo in Marsch gesetzt. Bolle fuhr mit einem Melder voraus, um das Gelände zu erkunden. Die feindliche Artillerie kleckerte in der Gegend herum - weit konnten die nicht mehr sein. Von einem Bauernhof auf einer kleinen Anhöhe führte eine schmale Allee hinunter zur Straße St. Lo - Berigny.

Er ließ Fahrer und Melder auf dem Hof zurück und machte sich auf die Socken

   

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