Der Mansfeld kommtErinnerungen an Krieg und FriedenAutor: Helmut Bollmann
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Die IrrfahrtBei seiner Rückkehr vom obligatorischen 14tägigen Genesungsurlaub in der Heimat bereitete sich die Einheit auf eine Verlegung vor. Wohin, wusste keiner. Auf die Frage nach dem Marschziel erhielt Bolle vom Chef die barsche Antwort: "Fahren Sie mir nach, dann werden Sie es schon sehen." Das verstieß gegen jede Regel. Ein Marschziel war immer zu nennen, zumindest für die erste Etappe. Bolles Offizierskamerad fasste sich heimlich an den Kopf, der dritte Zugführer, ein altgedienter Stabsfeldwebel, blickte betreten zu Boden. Der "Alte" war zweifellos verrückt geworden. Ein Nachtmarsch mit verdunkelten Scheinwerfern - und kein Marschziel. Das musste schief gehen, noch dazu bei diesem Wetter; - man war hoch oben im Gebirge, es schneite, und das nicht zu knapp. Unter diesen Umständen wollte sich keiner mit seinem Zug an die Spitze der Kolonne setzten. Der Stabsfeldwebel, der die beiden andern schon als einfache Muschkoten gekannt hatte, erklärte kategorisch: "Macht ihr das unter Euch aus. Ihr seid die Offiziere. Ich bin doch nicht bescheuert." - "Du musst vorausfahren", meinte der andere Leutnant. "Du hast gefragt, und zu dir hat er gesagt, du sollst ihm folgen." Dieser alte Lumpenhund, - schob ihm den Schwarzen Peter zu. Als Bolle um die Kurve bog, hatte der Hauptmann angehalten. Der Motor war abgestellt, das Licht ausgeschaltet. Es war saukalt. Er wickelte die Decke enger um die Schultern und steckte sich einen Zigarette an. Die Zeit verstrich, das Schneegestöber wurde dichter. Warum fuhr der Kerl nicht weiter, auf was wartet der? Wenn er jetzt ausstieg und nach vorn ging, holte er sich nur einen dumme Antwort. Also Geduld. Der Kamerad klopfte an die beschlagene Scheibe. "Was ist los?" - "Das weiß der Himmel!" Gemeinsam gingen sie nach vorn. Der Pkw war ausgebrannt, vermutlich schon vor vielen Tagen. Vom Hauptmann keine Spur. "Da habe ich kommen sehen", stöhnte der eine. "Das musste doch so kommen", meinte der andere. - "Was machen wir jetzt?" - "Wir fahren weiter. Der muss das doch merken und umkehren." Er merkte es nicht. An der nächsten Straßengabel war Feierabend. Rechts oder links, wer wollte das entscheiden? Der Kriegsrat beschloss, im nächsten Bergdorf, zu dem eine Stichstraße den Hang hinaufführte, Quartier zu nehmen. An der Straßengabel bezog ein Unteroffizier Posten, um den Chef abzufangen. Auf einer der beiden Straßen musste der ja zurückkommen. Das tat der aber nicht. Er kam die Straße herunter - von hinten. Der Posten hatte geschlafen und ihn an sich vorbeifahren lassen. Der Alte tobte wie ein Irrer in der Gummizelle. Den Unteroffizier verdonnerte er mit Recht auf der Stelle zu drei Tagen geschärften Arrest; Bolle drohte er mit Tatbericht und Kriegsgericht. Er musste den Befehl über den Zug an seinen Stellvertreter abgeben und sich ein paar Tage danach gestiefelt und gespornt, das heißt mit Stahlhelm und geputzten Stiefeln, zum Rapport beim Kommandeur melden, dem der Hauptmann inzwischen eingehend seine Version des Vorfalls vorgetragen hatte. Die Sache war ja auch zu peinlich, eigentlich undenkbar - ein Kompaniechef verliert auf dem Weg zur Front seine ganze Kompanie. So etwas sprach sich schnell rum, auch in Divisionskreisen. "Machen Sie sich keine Sorgen", sagte der Abteilungsadjutant. "Ihr Chef ist zum Major befördert worden und übernimmt die Panzerjägerabteilung der zweiten Division. Den sind wir los. Die Kompanie übernimmt ihr dienstälterer Kamerad. Aber bleiben Sie noch, Sie sind zum Essen beim Kommandeur eingeladen." Essen beim Kommandeur - das war eine Ehre! - |
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