Der Mansfeld kommt

Erinnerungen an Krieg und Frieden

Autor: Helmut Bollmann

 

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Flucht an die Front

  Die  Kompanie befand sich auf einem 20-Kilometer-Geländemarsch.

Weite Märsche waren noch nie seine Sache gewesen, schon gar nicht mit einer großen Blase am kleinen Zeh. In der Ferne war Motorengeknatter zu hören, das immer lauter wurde.  Ein Krad-Melder auf einer Beiwagenmaschine fuhr an der Kolonne vorbei nach vorn zum befehlshabenden Oberfeldwebel.

"Kompanie halt!  Alle mal herhören! Wer will sich zur 1. Kompanie versetzen lassen? Drei Mann sind angefordert." 

Die Sache stank, sogar gewaltig. Warum schicken die einen Krad-Melder? Mitten im Marsch einen Krad-Melder, der mit  seiner Klapperkiste drei Mann gleich mitbringen soll?

   In der Fallschirmtruppe dienten nur Freiwillige. Freiwilligkeit innerhalb dieser Freiwilligkeit grenzte an Schwachsinn. "Melde dich beim Kommiss nie zu etwas freiwillig", hatte ihm der Vater ans Herz gelegt, der im ersten Weltkrieg seine Erfahrungen gesammelt hatte. Bolle hatte sich fest vorgenommen, diesen guten Rat zu befolgen. Er hat auch später als Offizier nie "Freiwillige vortreten" befohlen.  Vorgesetzte, die so etwa taten, wollten sich seiner Ansicht nach nur ihrer Verantwortung entziehen und auf Kosten armer Irrer ihr Gewissen nicht belasten.

   "Denk an den Schreibstubenbullen!" mahnte eine innere Stimme. "Schlimmer kann es nicht kommen."

Bolle riss den Arm hoch. Reiner Selbsterhaltungstrieb - von "freiwillig" konnte keine Rede sein.

   Alles ging Hals über Kopf.  Es war so gegen elf Uhr. Der nächste Zug in Richtung Norden fuhr kurz nach zwölf in Weiden ab.  Schnell die Klamotten packen, nichts wie rauf auf den bereitstehenden Lkw und ab zum Bahnhof. 

Am Bahnhof in Stendal wartete auch schon ein Lkw. Der Unteroffizier auf dem Beifahrersitz stand sichtlich unter Zeitdruck. "Los, los, aufsteigen! Wir fliegen  in zwei Stunden."

Wohin wusste er nicht. 

   In der Hast des Absteigens vor der Kaserne fiel Bolle das Gewehr aus der Hand; der Kolben zersplitterte auf den Pflastersteinen. "Macht nichts, macht nichts. Lassen Sie sich ein anderes geben." Bolle dachte an das Trara um das Gewehrschloss und setzte sich in Trab.

   Er fasste Marschverpflegung samt Eiserne Ration, die nur im äußersten Notfall angegriffen werden durfte. Auf der Waffenkammer empfing er einen funkelnagelneuen Karabiner und haufenweise scharfe Munition,  die laut und überdeutlich sagte: Russland.

Auf dem Stendaler Flugplatz liefen die Motoren warm; die Geschütze waren verladen. Bolle brauchte nur noch an Bord zu gehen. Warum die Eile.  Mit Russland hatte es keine Eile! 

Dieser Ortswechsel schien weniger angezeigt

 

   

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